Plauen: Städtischer Bürgerdialog mit Nazis, RassistInnen und einem Mörder.

Bereits zum zweiten Mal haben in Plauen vergangene Woche die sogenannten “Asyldialoge” stattgefunden. Was auf den ersten Blick als gut gemeinter Anlauf der Stadt erschien, den rechtspopulistischen Mobilisierungen á la “Wir sind Deutschland” und “III. Weg” den Wind aus den Segeln zu nehmen, zeigte sich nun als Bühne und Podium für genau jene RassistInnen.

Auf Initiative des CDU-Stadtverbandes und moderiert von der Landeszentrale für politische Bildung fanden sich am 1.12.15 in der Galerie im städtischen Kultur- und Kommunikationszentrum “Malzhaus” zur „Diskussionsrunde“ zum Thema „Asyl“ städtische Politiker*Innen und interessierte Bürger*Innen zusammen – dazu auch die derzeit ungemein populären Stammtischrassist*Innen von “Wir sind Deutschland”, die in Plauen noch immer jeden Sonntag über 1000 Menschen auf die Straße bringen. Darüber hinaus hatten sich auch die Neonazis der Partei “III. Weg” angekündigt. Getoppt wurde dies nur noch durch den lautstarken Auftritt von Andreas Müller. Der Ellefelder Wachschutzmitarbeiter war zu Beginn des Jahres 2013 für den Tod von Ahmed Jaber verantwortlich – damals verweigerte Müller als diensthabender Wachmann die ärztliche Versorgung für den schwerkranken Jaber. Zuhilfekommende weitere Geflüchete beschimpfte Müller auf rassistische Weise. Seine Gesinnung offenbarte Müller in den letzten Monaten als Anmelder einer rassistischen Demonstration im vogtländischen Dorf Ellefeld, wo 80 Geflüchtete in einem ehemaligen Hotel unterkommen sollen.

Vor Ort hatte die Landes-CDU unter Initiation des Landtagsabgeordneten Frank Heidan in nochmals ausdrücklich betontem Zusammenwirken mit dem “Runden Tisch für Demokratie, Toleranz und Zivilcourage” unter Federführung von Superintendentin U. Weyer zur Gesprächrunde eingeladen. Die Moderation fand unter Leitung von Frau Nothnagel von der Landeszentrale für politische Bildung statt. In einen Gesprächsrahmen von fast 105 Minuten wurde mitunter jede erdenkliche menschenverachtende, rassistische, nationalistische, neofaschistisch-ökonomische Pauschaltheorie fast unwidersprochen angebracht und stehen gelassen. Kommunal- und landespolitische Gäste der CDU-Fraktion (Landrat Rolf Keil, CDU-Stadträte), Frau Uhlenhaut, die Dezernentin des Vogtlandkreises für Recht, Sicherheit und Ordnung, der damalige Leiter der Erstaufnahmeeinrichtung Plamag, der Oberbürgermeister Ralf Oberdorfer (FDP) sowie alle bekannten Anhänger*innen u. Organisator*innen der rechtspopulistischen Gruppe “Wir sind Deutschland”, Mitglieder des “III. Wegs” sowie Anhänger*innen der AfD.

Nach einer kurzen Einführung der Superintendentin U. Weyer zum Sinn dieser Kommunikation anstrebenden Veranstaltung mit dem Ziel der Lösungsorientierung für lokale Herausforderungen startete diese mit einer kurzen Einweisung der moderationsleitenden Person Frau Nothnagel. Die zu Beginn der „Gesprächsrunde“ einvernehmlich gesetzten Gesprächsregeln wurden anschließend immer wieder gebrochen und es zeichnete sich relativ schnell ein sehr klares Bild einer „Gesprächskultur“ ab, welches mit unzähligen Vorwürfen, Unterstellungen, undifferenzierten Pauschalisierungen, gefährlichem Halbwissen, realitätsfernen Aussagen, Antiamerikanismus, Verschwörungstheorien, Benachteiligungsängsten und fiktivem, menschenverachtenden Aktionismus-Kult durchsetzt war. Besonders spannend wurde dabei die Gesprächsdynamik zwischen Andreas Müller und Landrat Rolf Keil. Andreas Müller, welcher als damals diensthabender Security-Mitarbeiter maßgeblich am Tod von Ahmed Jaber am 14.02.2014 in der Gemeinschaftsunterkunft Kasernenstraße durch unterlassene Hilfeleistung und Behinderung der Rettungsversorgung (nicht gerichtlich bestätigt) aktiv beteiligt war (AGV berichtete: Ahmed J. – Never Forget!, Rückblick auf die Flüchtlingsdemo in Plauen, Unterstützt die Demo der Geflüchteten!, Im Gedenken an Ahmed J.) stellte zunächst eine Frage an Keil zur neuen Unterkunft in Ellefeld. Diese war gespickt mit Unterstellungen und Anschuldigungen der Irreführung und Verheimlichung gegenüber den Anwohner*innen von Ellefeld. Rolf Keil setzte zur Antwort an und wurde bereits im zweiten Satz forsch unterbrochen. Unterstützt wurde Müller noch von einer Anwohnerin aus Ellefeld, die angeblich direkte Beziehungen zur dortigen Feuerwehr und dem Bürgermeister besitzt. Diese erkundigte sich sehr genau über den Bauzustand der entstehenden Gemeinschaftsunterkunft in Ellefeld, deren Konzept morgen in Ellefeld vorgestellt werden soll. Besonders interessiert zeigte sie sich an der Einhaltung bzw. Nichteinhaltung baurechtlicher Vorgaben und mit Nachdruck an brandschutztechnischen Planungen.
Wie auch andere, fiel Andreas Müller in der gesamten Gesprächsrunde immer wieder durch ungefragte Zwischenrufe, die körperliche Präsenz in Richtung Mitte der Runde, um das Wort zu erlangen, und die damit einhergehende überproportionale Redezeit auf. Er stützte sich dabei argumentativ darauf „genug jahrelange Erfahrung durch Arbeit in einem Asylantenheim“ zu besitzen. Immer wieder bezeichnete Müller in bestem Nazivokabular Geflüchtete als „Invasoren“.

Erschreckend waren auch die vielen Wortmeldungen, die weniger fragenden, sondern eher feststellenden Charakter hatten. Darin fanden sich die üblichen Phrasen von „Volksverrätern“, Panik vor vermeintlicher Überfremdung, die Verbreitung des Ressentiments, alle Geflüchteten seien kriminell, die Diffamierung von Refugees als „Fahnenflüchtige“, autoritäre Forderungen nach repressiveren Abschiebegesetzen bis hin zu der menschenverachtenden „Hoffnung“, die Geflüchteten würden auf dem Weg nach Europa in der Wüste „verrecken“. Ein Anwesender aus dem „Wir sind Deutschland“-Umfeld war sich nicht zu schade, Europa zur zwangsweisen „Geburtenkontrolle“ an Menschen aus Afrika aufzufordern. Unglaublich aber wahr, nur wenige Wortmeldungen widersprachen den Äußerungen des Mobs, der sich offen rassistisch bis hin zu Vernichtungs- und Euthanasieforderungen positionierte, in ausreichender Form. Selbst wenn, wurde das oft belächelt oder durch Einrufe bewertet und abgewertet. Eine besonders erschreckende und abstoßende Situation ergab sich als eine der wenigen helfenden Personen auf die hohe Zahl der psychisch-traumatisch belasteten Geflüchteten aufmerksam machte und augenblicklich ein raumübergreifendes Gelächter ausbrach. Bei dieser Reaktion war erneut der innerlich tief verwurzelte Hass bei 2/3 der Anwesenden deutlich spürbar.

Eine weitere Frage richtete sich an Oberbürgermeister Ralf Oberdorfer. „Ich habe gehört, dass für Asylbewerberkinder Kindergartenplätze vor-reserviert werden und einige deutsche Kinder dann leer ausgehen? Der Oberbürgermeister nahm sich ausreichend Zeit und klärte zunächst mit Realfakten und Zahlen auf und konnte diese Behauptung entkräften. Im letzteren Teil der Veranstaltung übergab Jens Heinritz (einer der WsD – Organisatoren) eine „Resolution“ mit 800 Unterschriften an den Landtagsabgeordneten Frank Heidan. Heidan schlug vor, diese unter Inanspruchnahme des Petitionsrechts eben als Petition weiterzuleiten, was mit Übergabe des Wortes vom WsD-Organisator an den mutmaßlichen Textverfasser der „Resolution“ widersprochen wurde. Dieser bestand darauf, es als „Resolution“ und nicht als Petition zu behandeln und endete mit der Aussage: „Eine Petition ist eine Bitte. Wir stellen aber keine Bitte, wir bitten nicht um was, wir fordern etwas.“

Später, gegen Ende der Veranstaltung, sprach Superintendentin U. Weyer nochmals die skurrile Situation an, als den Geflüchteten das flucht-bedingte Leiden von psychisch-traumatösen Erkrankungen durch das breite Gelächter abgesprochen wurde und wies erneut darauf hin, dass niemand das Recht und die Befugnisse hat, darüber zu urteilen, ob ein Mensch eine psychische Erkrankung besitzt oder nicht. Trotz der ressentimentgeladenen Diskussionskultur soll das Thema Asyl weiter diskutiert werden und ein zweiter Termin dafür wurde zum 28.01.2016 in der Galerie des Malzhaus angesetzt, an denen voraussichtlich Frank Heidan und Ralf Oberdorfer erneut teilnehmen werden.

Es ist damit zu rechnen, dass erneut der Mob von Wutbürger*Innen, “Wir sind Deutschland”-Anhänger*Innen und III.Weg-Nazis aufkreuzt. Dass die Stadt und die Landeszentrale für politische Bildung damit einen weiteren Raum schafft, um Rassist*Innen jeglicher Couleur die Verbreitung ihrer widerlich-deutschnationalen Ressentiments zu ermöglichen, verwundert uns nicht … doch der Hass des Mobs, der sich am 01.12. beinahe unwidersprochen äußern konnte, bestätigt uns in unserem Bild der vermeintlich besorgten Bürger*Innen und ihrer Ziele: Ein autoritäres, “rassisch reines”, nach außen durch Zäune abgeschottetes Großdeutschland. In diesem Sinne: Keine Diskussion mit Rassist*Innen!